Liberating Structures: 33 Mikroformate für bessere Meetings

Das Geniale: Jede Struktur ist in Minuten erlernbar, skaliert von 5 bis 500 Personen und kann sofort eingesetzt werden. Keine langen Trainings, keine teuren Berater – nur clevere Formate, die funktionieren.
Was sind Liberating Structures?
Liberating Structures sind Mikrostrukturen für Meetings, die minimale Regeln setzen, aber maximale Beteiligung ermöglichen.
Die Grundidee
┌─────────────────────────────────────────────────────────┐
│ │
│ KONVENTIONELLE MEETINGS │
│ ───────────────────────── │
│ • Einer spricht, alle hören │
│ • Experten dominieren │
│ • Passive Teilnahme │
│ • Wenige Stimmen werden gehört │
│ │
│ ↓ │
│ │
│ LIBERATING STRUCTURES │
│ ───────────────────── │
│ • Alle sprechen, alle hören │
│ • Kollektive Intelligenz │
│ • Aktive Beteiligung │
│ • Jede Stimme zählt │
│ │
└─────────────────────────────────────────────────────────┘
Die 10 Prinzipien
Die 10 wichtigsten Liberating Structures
1. 1-2-4-All
Die vielseitigste Struktur – einsetzbar für fast alles.
Zweck: Ideen generieren, Reflexion ermöglichen, alle einbeziehen
Dauer: 12–15 Minuten
Ablauf:
Anwendung:
- Feedback zu Präsentationen
- Ideensammlung
- Reflexionsfragen
- Entscheidungsvorbereitung
2. Troika Consulting
Peer-Coaching in Dreiergruppen.
Zweck: Praktische Hilfe von Kollegen bekommen
Dauer: 30 Minuten (10 Min. pro Person)
Ablauf:
Warum Umdrehen? Reduziert Defensive, fördert offenes Zuhören, ermutigt zu mutigen Ratschlägen.
3. TRIZ
Was müssen wir aufhören zu tun?
Zweck: Kontraproduktives Verhalten identifizieren und stoppen
Dauer: 35 Minuten
Ablauf:
Anwendung:
- Schlechte Gewohnheiten eliminieren
- Blockaden lösen
- Heilige Kühe schlachten
4. 15% Solutions
Was kann ich JETZT tun – ohne Erlaubnis, ohne Ressourcen?
Zweck: Handlungsfähigkeit wiederherstellen
Dauer: 20 Minuten
Ablauf:
Erklärung: 15% = der Teil einer Lösung, den du ohne Genehmigung, zusätzliches Budget oder fremde Hilfe umsetzen kannst.
5. Impromptu Networking
Schneller Einstieg, der alle aktiviert.
Zweck: Warm-up, Ideensammlung, Vernetzung
Dauer: 15–20 Minuten
Ablauf:
Effekt: Mit jeder Runde werden die Antworten klarer und fokussierter.
6. 25/10 Crowd Sourcing
Die besten Ideen aus der Masse filtern.
Zweck: Viele Ideen sammeln und priorisieren
Dauer: 25 Minuten
Teilnehmer: 15+ (je mehr, desto besser)
Ablauf:
7. Wicked Questions
Paradoxe Fragen, die tieferes Denken auslösen.
Zweck: Komplexität anerkennen, strategische Spannungen aufdecken
Dauer: 25 Minuten
Ablauf:
Beispiele:
- „Wie können wir schnell handeln UND sorgfältig planen?"
- „Wie können wir innovativ sein UND Risiken minimieren?"
- „Wie können wir autonom arbeiten UND als Team koordiniert bleiben?"
8. What, So What, Now What?
Strukturierte Reflexion nach Erlebnissen.
Zweck: Aus Erfahrungen lernen, nächste Schritte ableiten
Dauer: 30 Minuten
Ablauf:
Anwendung:
- Nach Projekten oder Experimenten
- Retrospektiven
- Nach Workshops oder Events
9. Appreciative Interviews
Erfolge als Grundlage für Veränderung.
Zweck: Wurzeln von Erfolg entdecken und nutzen
Dauer: 40–60 Minuten
Ablauf:
10. Min Specs
Was ist wirklich unverzichtbar?
Zweck: Das absolute Minimum an Regeln definieren
Dauer: 30 Minuten
Ablauf:
Ergebnis: Liste der wirklich unverzichtbaren Anforderungen – oft kürzer als erwartet.
Liberating Structures kombinieren (Strings)
Die wahre Kraft entsteht durch Verkettung mehrerer Strukturen.
Beispiel: Problemlösung (90 Minuten)
Impromptu Networking (15 Min.)
→ Herausforderungen sammeln
1-2-4-All (15 Min.)
→ Wichtigste Herausforderung priorisieren
15% Solutions (20 Min.)
→ Erste Schritte identifizieren
Troika Consulting (30 Min.)
→ Peer-Coaching für individuelle Lösungen
What, So What, Now What? (10 Min.)
→ Reflexion und Abschluss
Beispiel: Strategieentwicklung (120 Minuten)
Wicked Questions (25 Min.)
→ Strategische Spannungen aufdecken
1-2-4-All (15 Min.)
→ Wichtigste Paradoxe priorisieren
TRIZ (35 Min.)
→ Was müssen wir stoppen?
25/10 Crowd Sourcing (25 Min.)
→ Beste Ideen sammeln und priorisieren
15% Solutions (20 Min.)
→ Sofortige Handlungsmöglichkeiten
Alle 33 Liberating Structures im Überblick
| Nr. | Name | Zweck |
|---|---|---|
| 1 | 1-2-4-All | Alle einbeziehen, Ideen entwickeln |
| 2 | Impromptu Networking | Schnelles Kennenlernen, Ideen sammeln |
| 3 | Nine Whys | Tiefe Motivation verstehen |
| 4 | Wicked Questions | Paradoxe Herausforderungen formulieren |
| 5 | Appreciative Interviews | Erfolge verstehen und nutzen |
| 6 | TRIZ | Kontraproduktives Verhalten stoppen |
| 7 | 15% Solutions | Sofortige Handlungsoptionen finden |
| 8 | Troika Consulting | Peer-Coaching in Dreiergruppen |
| 9 | What, So What, Now What? | Strukturierte Reflexion |
| 10 | Discovery & Action Dialogue | Lösungen entdecken, die bereits funktionieren |
| 11 | 25/10 Crowd Sourcing | Beste Ideen aus der Masse filtern |
| 12 | Shift & Share | Wissen schnell verbreiten |
| 13 | Wise Crowds | Kollektive Weisheit nutzen |
| 14 | Min Specs | Minimale Anforderungen definieren |
| 15 | Improv Prototyping | Schnelle Prototypen testen |
| 16 | Helping Heuristics | Bessere Hilfe geben |
| 17 | Conversation Café | Tiefe Dialoge ermöglichen |
| 18 | User Experience Fishbowl | Von Nutzern lernen |
| 19 | Heard, Seen, Respected | Empathie entwickeln |
| 20 | Drawing Together | Visualisieren statt verbalisieren |
| 21 | Design StoryBoards | Lösungen als Geschichte entwerfen |
| 22 | Celebrity Interview | Wissen von Experten erschließen |
| 23 | Social Network Webbing | Netzwerke sichtbar machen |
| 24 | What I Need From You | Gegenseitige Abhängigkeiten klären |
| 25 | Open Space Technology | Selbstorganisierte Konferenzen |
| 26 | Generative Relationships STAR | Beziehungen stärken |
| 27 | Agreement-Certainty Matrix | Entscheidungstypen erkennen |
| 28 | Simple Ethnography | Nutzer verstehen |
| 29 | Integrated~Autonomy | Balance zwischen Einheit und Vielfalt |
| 30 | Critical Uncertainties | Mit Unsicherheit umgehen |
| 31 | Ecocycle Planning | Portfolio managen |
| 32 | Panarchy | Systemische Veränderung verstehen |
| 33 | Purpose-To-Practice (P2P) | Von Zweck zu Praxis |
Praktische Tipps für Facilitatoren
Start mit den Basics
Die Top 5 für Einsteiger:
Diese fünf decken die meisten Situationen ab und sind leicht zu lernen.
Zeitboxen strikt einhalten
Liberating Structures funktionieren durch klare Zeitgrenzen. Timer nutzen, konsequent wechseln.
Klare Fragen formulieren
Die Qualität der Frage bestimmt die Qualität der Antworten. Vor dem Meeting: Frage(n) sorgfältig formulieren.
Physischen Raum nutzen
- Stühle bewegen lassen
- Im Raum verteilen
- Keine festen Tische, wenn möglich
- Bewegung fördern
Mit kleinen Gruppen starten
Erst in vertrautem Umfeld üben, dann ausweiten. Fehler machen ist erlaubt – daraus lernen.
Liberating Structures digital
Alle Strukturen funktionieren auch remote.
Empfohlene Tools
- Miro/Mural: Für visuelle Strukturen (Drawing Together, Ecocycle)
- Zoom/Teams Breakout Rooms: Für Paare und Kleingruppen
- Slido/Mentimeter: Für Voting und Crowd Sourcing
- Timer: Sichtbar für alle
Anpassungen für Remote
- Klarere Instruktionen: Weniger spontane Nachfragen möglich
- Mehr Zeit: Raumwechsel dauert digital länger
- Backup-Plan: Technikprobleme einkalkulieren
- Check-ins: Häufiger nachfragen, ob alle mitkommen
Ressourcen
Website
liberatingstructures.com – Alle 33 Strukturen mit Anleitungen, Videos, Beispielen
App
Liberating Structures App – Für iOS und Android, hilft bei Auswahl und Verkettung
Buch
„The Surprising Power of Liberating Structures" – Von Lipmanowicz & McCandless
Fazit: Kleine Strukturen, große Wirkung
Liberating Structures beweisen: Manchmal braucht es nur kleine Änderungen, um große Wirkung zu erzielen. Die 33 Mikroformate sind keine komplexen Frameworks, sondern einfache Interventionen, die jeder sofort nutzen kann.
Sie basieren auf einer einfachen Einsicht: In jeder Gruppe steckt mehr Intelligenz, als üblicherweise genutzt wird. Liberating Structures heben diesen Schatz – durch klare Strukturen, die Beteiligung fördern und Hierarchien vorübergehend aufheben.
Der nächste Schritt: Wähle ein Meeting diese Woche. Ersetze den Diskussionsteil durch 1-2-4-All. Beobachte, was passiert. Dann: nächste Struktur ausprobieren.
Muss ich alle 33 Strukturen kennen?
Nein. Mit 5–10 Strukturen kommst du weit. Starte mit den Basics (1-2-4-All, Troika, 15% Solutions) und erweitere nach Bedarf.
Funktionieren Liberating Structures auch mit skeptischen Gruppen?
Ja. Erfahrungsgemäß überzeugt die erste positive Erfahrung Skeptiker. Als Experiment positionieren: „Lasst uns das einmal ausprobieren."
Wie lerne ich am besten?
Ausprobieren. Starte mit einer einfachen Struktur in einem sicheren Kontext. Reflektiere, was funktioniert hat. Wiederhole.
Brauche ich spezielle Materialien?
Meist nur Papier, Stifte, Timer. Für manche Strukturen: Sticky Notes, Flipcharts. Digital: Standard-Tools wie Miro/Zoom reichen.
Kann ich Liberating Structures anpassen?
Ja, aber verstehe erst das Original. Die Strukturen sind durchdacht. Anpassungen nach Erfahrung sinnvoll, nicht vorher.
Stand: Dezember 2025
Quellen: Henri Lipmanowicz & Keith McCandless – The Surprising Power of Liberating Structures liberatingstructures.com – Offizielle Website MSU Extension – Liberating Structures Series Christiaan Verwijs – Liberating Structures Guide


