Ratgeber

Feedback-Training: Konstruktiv kritisieren, offen empfangen

Feedback-Training: Konstruktiv kritisieren, offen empfangen
Ein Feedback-Training schließt diese Lücke. Es vermittelt Strukturen für klares, konstruktives Feedback, trainiert das Empfangen ohne Defensive und schafft eine Kultur, in der Feedback normal ist – nicht gefürchtet. Das Ergebnis: Bessere Leistung, schnelleres Lernen und stärkere Beziehungen im Team.

Ein Feedback-Training schließt diese Lücke. Es vermittelt Strukturen für klares, konstruktives Feedback, trainiert das Empfangen ohne Defensive und schafft eine Kultur, in der Feedback normal ist – nicht gefürchtet. Das Ergebnis: Bessere Leistung, schnelleres Lernen und stärkere Beziehungen im Team.

Warum Feedback so schwierig ist

Feedback aktiviert dieselben Hirnregionen wie physischer Schmerz – unser Gehirn behandelt Kritik als Bedrohung. Das erklärt, warum selbst wohlgemeintes Feedback defensive Reaktionen auslöst.

Die Herausforderungen beim Geben

HürdeUrsacheKonsequenz
Angst vor KonfliktenFeedback könnte die Beziehung belastenProbleme werden verschwiegen
UnklarheitNicht wissen, wie man es formuliertVage, nicht-hilfreiche Aussagen
TimingZu spät, zu selten, falscher MomentFeedback verliert Relevanz
ProjektionEigene Frustration statt HilfsbereitschaftFeedback klingt wie Angriff

Die Herausforderungen beim Empfangen

HürdeUrsacheKonsequenz
DefensiveFeedback als Angriff interpretiertAbwehr statt Reflexion
RechtfertigungSofortiges Erklären, warum es so warFeedback wird nicht gehört
Verallgemeinerung„Du findest alles schlecht"Konstruktiver Kern geht verloren
VermeidungFeedback gar nicht erst einholenBlinde Flecken bleiben bestehen

Konstruktives Feedback: Die Grundprinzipien

Konstruktives Feedback fokussiert auf Verhalten, nicht auf Person – es ist spezifisch, actionable und zukunftsorientiert.

Konstruktiv vs. Destruktiv

DestruktivKonstruktiv
„Du bist unzuverlässig."„Die letzten drei Deadlines wurden nicht eingehalten."
„Deine Präsentation war schlecht."„Bei der Präsentation fehlten Datenquellen für die Kernaussagen."
„Du hörst nie zu."„In unserem Meeting heute hast du mehrfach unterbrochen."
„Das ist doch Quatsch."„Ich sehe das anders, weil..."

Die drei Säulen konstruktiven Feedbacks

1. Spezifisch statt allgemein

  • Konkrete Situationen, Verhaltensweisen, Auswirkungen
  • Keine Verallgemeinerungen („immer", „nie", „typisch")
2. Verhalten statt Persönlichkeit
  • Was jemand getan hat, nicht wer jemand ist
  • Verhalten kann geändert werden, Persönlichkeit nicht
3. Zukunftsorientiert statt rückwärtsgewandt
  • Was kann beim nächsten Mal anders gemacht werden?
  • Fokus auf Verbesserung, nicht auf Schuldzuweisung

Feedback-Modelle für die Praxis

Das SBI-Modell (Situation-Behavior-Impact)

Das SBI-Modell strukturiert Feedback in drei klare Teile: Situation, Verhalten, Auswirkung.

ElementBeschreibungBeispiel
SituationWann und wo?„Im Team-Meeting gestern..."
BehaviorWas genau wurde getan?„...hast du mehrfach dein Handy gecheckt..."
ImpactWelche Auswirkung hatte das?„...das wirkte desinteressiert und hat die Diskussion gestört."

Vollständiges Beispiel: „Im Team-Meeting gestern (Situation) hast du mehrfach dein Handy gecheckt (Behavior). Das wirkte desinteressiert und hat die Diskussion gestört (Impact)."

Das COIN-Modell (Context-Observation-Impact-Next Steps)

COIN erweitert SBI um den wichtigen vierten Schritt: Was nun?

ElementFrageBeispiel
ContextWas ist der Hintergrund?„Bei der Kundenpräsentation letzte Woche..."
ObservationWas habe ich beobachtet?„...war die Demo nicht vorbereitet und ist abgestürzt."
ImpactWelche Auswirkung hatte das?„Der Kunde war irritiert, wir haben Zeit verloren."
Next StepsWas machen wir beim nächsten Mal?„Wie können wir sicherstellen, dass Demos vorher getestet werden?"

Das Pendleton-Modell

Das Pendleton-Modell ist ein Dialog-Modell, das den Feedback-Empfänger aktiv einbezieht.

  • Selbsteinschätzung: „Was lief aus deiner Sicht gut?"
  • Zustimmung/Ergänzung: Feedback-Geber bestätigt und ergänzt
  • Selbsteinschätzung: „Was würdest du beim nächsten Mal anders machen?"
  • Zustimmung/Ergänzung: Feedback-Geber bestätigt und ergänzt
  • Gemeinsamer Plan: Nächste Schritte vereinbaren
  • Vorteil: Der Empfänger reflektiert selbst, bevor er Feedback erhält – das reduziert Defensive erheblich.

    Workshop-Ablauf: 3 Stunden Feedback-Training

    Phase 1: Mindset und Grundlagen (30 Minuten)

    Warum Feedback wichtig ist – und warum es schwerfällt.

    • Statistiken und Forschung zu Feedback (z.B. Gallup: 80% der Mitarbeiter, die „meaningful feedback" erhalten, sind fully engaged)
    • Die neurologische Basis: Warum Feedback als Bedrohung wahrgenommen wird
    • Unterschied konstruktiv vs. destruktiv anhand von Beispielen
    • Feedback-Prinzipien vorstellen

    Phase 2: Feedback geben – Modelle und Übung (60 Minuten)

    Strukturen lernen und sofort anwenden.

    Teil 1: Modelle vorstellen (15 Min.)

    • SBI-Modell erklären mit Beispielen
    • COIN-Modell als Erweiterung zeigen
    Teil 2: Übung – Feedback formulieren (20 Min.)
    • Teilnehmer erhalten Szenarien (z.B. „Kollege kommt ständig zu spät", „Präsentation war unvorbereitet")
    • Jeder formuliert Feedback nach SBI-Modell
    • In Paaren austauschen und verbessern
    Teil 3: Rollenspiel (25 Min.)
    • Dreier-Gruppen: Feedback-Geber, Empfänger, Beobachter
    • Kurzes Rollenspiel (2–3 Minuten)
    • Beobachter gibt Feedback zum Feedback
    • Rollen rotieren

    Phase 3: Feedback empfangen – Die andere Seite (45 Minuten)

    Feedback annehmen ohne defensive Reaktion.

    Teil 1: Die Defensive verstehen (10 Min.)

    • Typische Reaktionen: Rechtfertigen, Ablenken, Zurückschlagen
    • Die Pause vor der Reaktion: Warum sie entscheidend ist
    Teil 2: Aktives Zuhören bei Feedback (15 Min.)
    • Zuhören, ohne zu unterbrechen
    • Nachfragen zum Verständnis: „Kannst du mir ein konkretes Beispiel geben?"
    • Zusammenfassen: „Wenn ich dich richtig verstehe, meinst du..."
    • Danken – auch wenn es schwerfällt
    Teil 3: Übung – Feedback empfangen (20 Min.)
    • Paare geben sich gegenseitig (echtes oder simuliertes) Feedback
    • Empfänger praktiziert: Zuhören, Nachfragen, Zusammenfassen, Danken
    • Reflexion: Wie hat es sich angefühlt?

    Phase 4: Feedback-Kultur etablieren (30 Minuten)

    Von Einzelfeedback zur Team-Routine.

    • Wann und wie oft Feedback geben? (Regel: So zeitnah wie möglich)
    • Feedback-Routinen im Team: Retros, 1:1s, spontan
    • Psychologische Sicherheit als Voraussetzung
    • Team-Commitment: Welche Feedback-Vereinbarung treffen wir?

    Phase 5: Transfer und Abschluss (15 Minuten)

    Was nehme ich mit?

    • Jeder Teilnehmer notiert: Ein konkretes Feedback, das ich diese Woche geben werde
    • Reflexionsrunde: Was war die wichtigste Erkenntnis?
    • Ressourcen und Follow-up

    Praktische Übungen fürs Training

    Übung 1: Feedback-Transformation

    Destruktives Feedback in konstruktives umwandeln.

    Teilnehmer erhalten destruktive Aussagen und transformieren sie:

    • „Du bist immer so negativ." → ?
    • „Dein Code ist Chaos." → ?
    • „Du verstehst das einfach nicht." → ?

    Übung 2: Feedback-Fishbowl

    Eine Person sitzt im Zentrum und erhält Feedback von mehreren.

    • Freiwilliger sitzt in der Mitte
    • 3–4 Personen geben jeweils ein Feedback (positiv oder konstruktiv)
    • Empfänger praktiziert aktives Zuhören
    • Gruppe reflektiert: Was war wirksam?

    Übung 3: Feedback-Brief

    Schriftliches Feedback an einen Kollegen.

    • Jeder schreibt ein konstruktives Feedback an einen (anwesenden) Kollegen
    • Nach SBI/COIN-Modell strukturiert
    • Briefe werden ausgetauscht und besprochen

    Übung 4: Schwieriges Feedback vorbereiten

    Teilnehmer bereiten ein echtes, schwieriges Feedback vor.

    • Jeder denkt an ein Feedback, das er schon lange geben wollte, aber vermieden hat
    • Strukturiert nach Modell vorbereiten
    • Optional: Mit Partner durchspielen

    Die Feedbackschleife: Geben und Empfangen verbinden

    Effektives Feedback ist keine Einbahnstraße – es ist ein Dialog.

    
        GEBER                                    EMPFÄNGER
          │                                          │
          │  1. Feedback geben (SBI/COIN)           │
          │ ─────────────────────────────────────► │
          │                                          │
          │  2. Verständnis prüfen                  │
          │ ◄───────────────────────────────────── │
          │    "Meinst du...?"                      │
          │                                          │
          │  3. Klarstellen/Bestätigen             │
          │ ─────────────────────────────────────► │
          │                                          │
          │  4. Reaktion/Commitment                 │
          │ ◄───────────────────────────────────── │
          │    "Ich verstehe, ich werde..."        │
          │                                          │
          │  5. Follow-up vereinbaren              │
          │ ◄────────────────────────────────────► │
    

    Häufige Fehler im Feedback-Training

    Fehler 1: Nur Geben, nicht Empfangen trainieren

    Problem: Teams lernen Feedback zu geben, aber nicht anzunehmen.

    Lösung: Mindestens 30% der Zeit auf Empfangen verwenden. Die Fähigkeit, Feedback anzunehmen, ist oft die größere Herausforderung.

    Fehler 2: Zu theoretisch, zu wenig Übung

    Problem: Modelle werden erklärt, aber nicht praktiziert.

    Lösung: Mindestens 50% der Workshop-Zeit für praktische Übungen und Rollenspiele. Feedback ist eine Fertigkeit – sie braucht Übung.

    Fehler 3: Keine Follow-up-Strukturen

    Problem: Nach dem Training ändert sich nichts.

    Lösung: Konkrete Commitments am Ende des Workshops. Follow-up nach 2–4 Wochen. Feedback-Routinen in bestehende Meetings integrieren.

    Fehler 4: Psychologische Sicherheit ignorieren

    Problem: In unsicheren Teams wird Feedback als Waffe, nicht als Geschenk wahrgenommen.

    Lösung: Psychologische Sicherheit ist Voraussetzung für Feedback-Kultur. Wenn sie fehlt, zuerst daran arbeiten.

    Feedback im Remote-Kontext

    Remote-Teams brauchen mehr und bewussteres Feedback – weil informelle Signale fehlen.

    Besonderheiten

    • Weniger nonverbale Hinweise (Mimik, Körpersprache)
    • Höheres Risiko für Missverständnisse
    • Feedback per Chat/E-Mail kann falsch ankommen
    • Weniger spontane Feedback-Gelegenheiten

    Best Practices für Remote-Feedback

    • Video an: Feedback möglichst per Videocall, nicht schriftlich
    • Häufiger: Weil informelle Signale fehlen, formelles Feedback erhöhen
    • Expliziter: Klarere Sprache, weniger Raum für Interpretation
    • Dokumentieren: Follow-ups schriftlich festhalten

    Feedback-Kultur aufbauen

    Von Training zu Kultur

    Ein einmaliges Training reicht nicht. Feedback-Kultur braucht:

    • Vorbilder: Führungskräfte, die Feedback geben und aktiv einfordern
    • Routinen: Feedback als fester Bestandteil von Meetings, 1:1s, Retros
    • Sicherheit: Umgebung, in der Feedback als Geschenk gilt, nicht als Angriff
    • Übung: Regelmäßiges Praktizieren, bis es zur Gewohnheit wird

    Feedback-Vereinbarungen im Team

    Am Ende des Trainings kann das Team gemeinsame Spielregeln vereinbaren:

    • Wie schnell geben wir Feedback? (Innerhalb von 24 Stunden?)
    • Wie holen wir aktiv Feedback ein?
    • Wie reagieren wir, wenn wir Feedback erhalten?
    • Wie gehen wir mit Feedback-Vermeidung um?

    Fazit: Feedback als Lernmotor

    Feedback ist nicht angenehm – aber es ist unverzichtbar für Wachstum. Teams, die konstruktives Feedback zur Routine machen, entwickeln sich schneller, lösen Probleme früher und bauen stärkere Beziehungen auf.

    Das Training ist der erste Schritt: Strukturen lernen, Übung sammeln, Hemmschwellen abbauen. Der wahre Wert entsteht danach – wenn Feedback im Alltag stattfindet, regelmäßig, konstruktiv, beiderseitig.

    Der nächste Schritt: Identifiziere ein Feedback, das du schon lange geben wolltest. Strukturiere es nach SBI. Gib es diese Woche. Die erste Übung findet nicht im Workshop statt – sondern danach.


    Wie oft sollte ich Feedback geben?

    So zeitnah wie möglich nach dem beobachteten Verhalten. Feedback verliert an Relevanz, je länger man wartet. Wöchentliches Feedback ist ein guter Richtwert – ergänzt durch spontanes Feedback bei konkreten Anlässen.

    Was, wenn jemand auf Feedback defensiv reagiert?

    Nicht konfrontieren, sondern Raum geben. „Ich merke, das war gerade viel. Lass uns morgen nochmal darüber sprechen." Defensive Reaktionen sind normal – sie bedeuten nicht, dass das Feedback falsch war.

    Kann ich auch ungebetenes Feedback geben?

    Idealerweise fragst du vorher: „Kann ich dir Feedback zu X geben?" Das erhöht die Bereitschaft zuzuhören. Bei dringenden Themen kann auch direktes Feedback angebracht sein – aber mit Empathie.

    Wie gehe ich mit Feedback um, das ich unfair finde?

    Erst zuhören und verstehen. Nachfragen: „Kannst du mir ein Beispiel geben?" Dann reflektieren, ob ein wahrer Kern darin steckt. Du musst nicht jedem Feedback zustimmen – aber du kannst es als Perspektive ernst nehmen.

    Wie trainiere ich Feedback allein weiter?

    Reflektiere nach jeder Feedback-Situation: Was hat funktioniert? Was würde ich anders machen? Bitte aktiv um Feedback zu deinem Feedback. Übung macht den Meister – auch hier.


    Stand: Dezember 2025

    Quellen: Harvard Business Review – The Feedback Fallacy (2019) Gallup – State of the Global Workplace (2024) TalentSmart – Emotional Intelligence Research Center for Creative Leadership – Feedback Best Practices