Storytelling Workshop: Überzeugen mit Struktur und Emotion

Im Business-Kontext bedeutet das: Präsentationen, Pitches, Change-Kommunikation und Verkaufsgespräche werden wirksamer, wenn sie als Geschichte strukturiert sind. Ein Storytelling-Workshop vermittelt diese Fähigkeit: Wie baue ich eine Geschichte auf? Wie verbinde ich Daten mit Narrativen? Wie überzeuge ich nicht durch mehr Argumente, sondern durch besseres Erzählen?
Warum Storytelling funktioniert
Geschichten umgehen den kritischen Verstand und sprechen direkt Emotionen an. Das ist keine Manipulation – es ist Kommunikation, die dem menschlichen Gehirn entspricht.
Die Neurowissenschaft dahinter
| Effekt | Beschreibung |
|---|---|
| Oxytocin-Ausschüttung | Emotionale Geschichten erhöhen Empathie und Vertrauen |
| Kortisol-Reduktion | Gute Narrative reduzieren Stress beim Zuhörer |
| Neural Coupling | Erzähler und Zuhörer synchronisieren ihre Gehirnaktivität |
| Dopamin | Spannung und Auflösung aktivieren das Belohnungssystem |
Fakten vs. Geschichten
| Fakten allein | Fakten + Geschichte |
|---|---|
| „Unsere Kundenzufriedenheit stieg um 23%." | „Maria, eine Kundin aus Hamburg, hatte ein Problem. So haben wir es gelöst – und heute empfiehlt sie uns weiter." |
| „Wir haben 500 Mitarbeiter in 12 Ländern." | „Als wir 2010 zu dritt in einer Garage starteten, träumten wir davon, die Branche zu verändern. Heute..." |
| „Feature X spart 4 Stunden pro Woche." | „Stell dir vor, jeden Freitagnachmittag um 14 Uhr bist du fertig – statt um 18 Uhr. Das ermöglicht Feature X." |
Die Grundstruktur: Jede Geschichte hat drei Teile
Setup – Konflikt – Resolution. Das ist das Skelett jeder Geschichte, von Hollywood bis zur Vorstandspräsentation.
Die klassische Drei-Akt-Struktur
┌─────────────────────────────────────────────────────────────────┐
│ │
│ AKT 1: SETUP AKT 2: KONFLIKT AKT 3: RESOLUTION │
│ (25%) (50%) (25%) │
│ │
│ • Wer ist der Held? • Problem tritt auf • Lösung gefunden │
│ • Was ist der • Hindernisse • Veränderung │
│ Normalzustand? • Wendepunkt • Neuer Zustand │
│ • Was steht auf • Tiefpunkt • Call to Action │
│ dem Spiel? │
│ │
│ Spannung: niedrig ────────► hoch ────────► Auflösung │
│ │
└─────────────────────────────────────────────────────────────────┘
Im Business-Kontext
| Akt | Inhalt | Business-Beispiel |
|---|---|---|
| Setup | Die Ausgangssituation, der Status Quo | „Unser Team verbrachte 30% der Zeit mit manuellen Reports." |
| Konflikt | Das Problem, die Herausforderung, was auf dem Spiel steht | „Das kostete nicht nur Zeit, sondern führte zu Fehlern und Frustration." |
| Resolution | Die Lösung, das Ergebnis, der neue Zustand | „Mit dem neuen Tool sparen wir 12 Stunden pro Woche – und die Fehlerquote sank um 80%." |
Die Hero's Journey im Business
Joseph Campbells „Heldenreise" ist das universelle Narrativ – von Star Wars bis zur Kundenpräsentation.
Die vereinfachte Heldenreise
Business-Anwendung: Der Kunde als Held
Wichtig: In Business-Stories ist nicht dein Unternehmen der Held – sondern der Kunde. Du bist der Mentor, der dem Helden hilft, seine Herausforderung zu meistern.
| Element | Klassische Story | Business-Story |
|---|---|---|
| Held | Luke Skywalker | Dein Kunde |
| Mentor | Obi-Wan Kenobi | Dein Unternehmen/Produkt |
| Problem | Das Imperium | Die Herausforderung des Kunden |
| Transformation | Wird zum Jedi | Erreicht sein Geschäftsziel |
Workshop-Ablauf: 3–4 Stunden
Phase 1: Warum Storytelling? (20 Minuten)
Die Wirkung von Geschichten verstehen.
- Demonstration: Fakten vs. Geschichte (dieselbe Info, zwei Versionen)
- Die Neurowissenschaft dahinter
- Beispiele aus Business-Kontext (Apple, Airbnb, TED Talks)
- Eigene Storytelling-Herausforderungen sammeln
Phase 2: Die Grundstruktur (30 Minuten)
Setup – Konflikt – Resolution.
- Die Drei-Akt-Struktur erklären
- Beispiele analysieren (Werbespot, Pitch, Präsentation)
- Übung: Eine eigene Erfahrung in drei Akten strukturieren
- In Paaren teilen und Feedback geben
Phase 3: Elemente einer guten Geschichte (45 Minuten)
Was macht eine Geschichte packend?
Teil 1: Der Held (10 Min.)
- Wer ist der Protagonist? (Person, nicht Unternehmen)
- Was will er? Was steht auf dem Spiel?
- Übung: „Mein Held ist..."
- Ohne Konflikt keine Geschichte
- Arten von Konflikten: extern, intern, relational
- Übung: Den Konflikt schärfen – was ist das eigentliche Problem?
- Wie verändert sich der Held?
- Vorher → Nachher muss spürbar sein
- Übung: Die Transformation in einem Satz beschreiben
- Welche Emotion soll geweckt werden?
- Konkrete Details schaffen Emotion (nicht Abstraktion)
- Übung: Ein Detail finden, das die Geschichte lebendig macht
Phase 4: Storytelling-Frameworks (30 Minuten)
Praktische Strukturen für verschiedene Kontexte.
Das ABT-Framework (And, But, Therefore)
- „Wir hatten X UND Y, ABER dann passierte Z, DAHER..."
- Einfachste Struktur für schnelle Narrativierung
- „Es war einmal... Jeden Tag... Bis eines Tages... Deshalb... Deshalb... Bis schließlich..."
- Komplett narrative Struktur
- Situation, Task, Action, Result
- Für konkrete Erfolgsgeschichten und Cases
Phase 5: Data Storytelling (30 Minuten)
Daten sind nicht der Feind von Stories – sie sind ein Charakter.
- Daten ohne Story: „Conversion Rate stieg von 2% auf 4%."
- Daten mit Story: „Stell dir vor, doppelt so viele Besucher werden zu Kunden. Das bedeutet: Maria im Vertrieb hat plötzlich so viele Leads, dass sie priorisieren muss."
- Eine Kernzahl, nicht zehn
- Vergleiche schaffen Bedeutung („Das ist so viel wie...")
- Daten personalisieren („Für jeden Mitarbeiter bedeutet das...")
Phase 6: Praxis – Eigene Geschichte entwickeln (45 Minuten)
Teilnehmer arbeiten an einer echten Geschichte.
- Jeder wählt einen Kontext: Pitch, Präsentation, Kundengespräch, Change-Kommunikation
- 15 Min. Einzelarbeit: Geschichte nach Framework strukturieren
- 20 Min. Paare/Kleingruppen: Geschichte erzählen, Feedback erhalten, überarbeiten
- 10 Min. Freiwillige teilen ihre Geschichte mit der Gruppe
Phase 7: Delivery – Die Geschichte erzählen (20 Minuten)
Eine gute Geschichte schlecht erzählt ist eine schlechte Geschichte.
- Tempo: Langsam für wichtige Momente, schneller für Übergänge
- Pausen: Die mächtigste Technik (Pause vor der Pointe)
- Stimme: Variation signalisiert Bedeutung
- Körpersprache: Offenheit, Augenkontakt, Gesten
- Übung: Einen Satz auf drei verschiedene Arten sagen
Storytelling-Kontexte im Business
Pitch/Investor-Präsentation
Struktur: Problem → Marktgröße → Lösung → Traction → Team → Ask
Story-Element: Beginne mit dem Problem als Geschichte. „Stell dir vor, du bist Projektmanager bei einem Mittelständler. Es ist Freitag 17 Uhr, und dein Chef fragt nach dem Projektstatus. Du hast drei Excel-Sheets, zwei E-Mail-Threads und eine vage Erinnerung an ein Meeting..."
Change-Kommunikation
Struktur: Warum Veränderung? → Was ändert sich? → Was bedeutet das für dich? → Wie geht es weiter?
Story-Element: Erzähle von jemandem, der die Veränderung bereits durchgemacht hat. Mach die Transformation konkret und menschlich.
Kundenpräsentation/Sales
Struktur: Kundenherausforderung → Unsere Lösung → Erfolgsgeschichte → Nächste Schritte
Story-Element: Case Studies als Geschichten erzählen. Der Kunde ist der Held, nicht dein Unternehmen.
Führungskommunikation
Struktur: Vision → Warum wichtig? → Wie erreichen wir es? → Was bedeutet das für jeden?
Story-Element: Persönliche Geschichten des Leaders. Authentizität und Verletzlichkeit schaffen Verbindung.
Häufige Fehler vermeiden
Fehler 1: Die Story über sich selbst machen
Problem: „Wir haben dieses tolle Produkt entwickelt..."
Lösung: Der Kunde ist der Held. Du bist der Mentor, der hilft.
Fehler 2: Zu viele Informationen
Problem: Die Geschichte wird zur Aufzählung.
Lösung: Eine Kernbotschaft, eine Transformation, ein emotionales Zentrum. Weniger ist mehr.
Fehler 3: Kein echter Konflikt
Problem: „Wir hatten eine Idee, haben sie umgesetzt, und es hat funktioniert."
Lösung: Ohne Konflikt keine Spannung. Was war das Hindernis? Der Zweifel? Das Risiko?
Fehler 4: Abstraktionen statt Details
Problem: „Wir haben die Effizienz gesteigert."
Lösung: Konkrete Details schaffen Bilder. „Maria musste nicht mehr bis 20 Uhr im Büro bleiben."
Remote Storytelling
Storytelling funktioniert auch remote – mit Anpassungen.
Tipps für virtuelle Präsentationen
- Kamera an, Augenhöhe: Erzähle in die Linse, nicht auf den Bildschirm
- Kürzere Einheiten: Online-Aufmerksamkeit ist kürzer
- Mehr Variation: Wechsel zwischen Sprechen, Visuals, Interaktion
- Chat nutzen: „Wer kennt das?" – Reaktionen einsammeln
- Pausen wirken stärker: Stille fühlt sich online länger an (nutze das)
Übungen für den Workshop
Übung: Die 60-Sekunden-Geschichte
Jeder hat 60 Sekunden, um eine Geschichte zu erzählen:
- Ein berufliches Erlebnis
- Mit klarem Anfang, Konflikt, Ende
- Gruppe gibt Feedback: Was war der Konflikt? Was war das Gefühl?
Übung: Vorher-Nachher
Beschreibe eine Situation/Person/Team:
- VORHER (in 2 Sätzen)
- WAS PASSIERTE (in 2 Sätzen)
- NACHHER (in 2 Sätzen)
Übung: Das Detail finden
Nimm eine langweilige Aussage und mach sie lebendig durch ein konkretes Detail:
- „Die Zusammenarbeit hat sich verbessert." → ?
- „Wir haben Zeit gespart." → ?
- „Die Kundenzufriedenheit stieg." → ?
Übung: Die Pixar-Challenge
Erzähle eine Business-Situation nach der Pixar-Formel:
- Es war einmal...
- Jeden Tag...
- Bis eines Tages...
- Deshalb...
- Deshalb...
- Bis schließlich...
Fazit: Erzählen ist Überzeugen
Storytelling ist keine „weiche" Skill – es ist eine Kernkompetenz für jeden, der Menschen überzeugen, motivieren oder inspirieren will. Die gute Nachricht: Storytelling ist erlernbar. Es folgt Strukturen, die man trainieren kann.
Der Workshop vermittelt die Grundlagen. Die eigentliche Arbeit beginnt danach: jede Präsentation, jedes Gespräch, jede E-Mail als Chance sehen, eine Geschichte zu erzählen – statt nur Informationen zu übermitteln.
Der nächste Schritt: Nimm eine Präsentation, die du bald halten wirst. Frage dich: Wer ist der Held? Was ist der Konflikt? Was ist die Transformation? Strukturiere um. Der Unterschied wird spürbar sein.
Ist Storytelling nicht Manipulation?
Storytelling ist ein Werkzeug – wie jede Kommunikationsform. Es kann für ehrliche Überzeugung oder für Manipulation genutzt werden. Der Unterschied liegt in der Absicht und der Wahrhaftigkeit der Geschichte.
Wie finde ich Geschichten in meinem Arbeitsalltag?
Achte auf Wendepunkte, Überraschungen, Probleme und Lösungen. Frage: „Was war anders als erwartet?" Dort stecken Geschichten.
Muss ich kreativ sein, um gut zu erzählen?
Nein. Storytelling folgt Strukturen, die erlernbar sind. Kreativität hilft, aber die Grundlagen sind Handwerk, keine Kunst.
Wie lang sollte eine Business-Story sein?
So kurz wie möglich, so lang wie nötig. Für einen Pitch: 60–90 Sekunden. Für eine Präsentation: 2–3 Minuten. Für ein Gespräch: 30–60 Sekunden.
Kann ich dieselbe Geschichte mehrfach erzählen?
Ja – und du solltest es tun. Gute Geschichten werden durch Wiederholung besser. Passe sie an den Kontext an, aber behalte den Kern.
Stand: Dezember 2025
Quellen: Nancy Duarte – Resonate: Present Visual Stories that Transform Audiences Joseph Campbell – The Hero with a Thousand Faces Carmine Gallo – Talk Like TED StoryIQ – Data Storytelling Research


